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Stadt der Zukunft für deutsche Auswanderer
New York gilt als Kunst-Olymp, aufregende Modestadt, Börsensitz und popkultureller Trendsetter. New York ist einzigartig - und der Traum vieler schlafloser Nächte auf der ganzen Welt. Doch dies alles ist es nur geworden, weil über Jahrhunderte Menschen hier ankamen, die in New York ihre Utopie zur Realität machen wollten. Deshalb ist die Geschichte der Einwanderer eines der spannendsten Kapitel in der Geschichte New Yorks.
Es ist dieses vibrierende Gefühl, eine Intensität, die die Straßen Manhattans so unvergleichlich macht. Das Licht fällt quer durch die Straßenschluchten, der Geruch wird in einer Minute von der Kanalisation, in der nächsten vom Atlantik bestimmt. Autos, Menschen, neuerdings auch Fahrräder versuchen, ihren Platz zu behaupten. Die Stadt strebt, voran und nach oben, städtebaulich und lebensgefühlmäßig.
Und sie hat das immer getan, über die Jahrhunderte ihrer Existenz. Von Anfang an war New York ein Ziel der Träume, Projektionsfläche der Zukunftswünsche von Menschen aus allen Winkeln der Welt.
Und viele schafften es, sie kamen nach New York. Heute ist die Dichte an Mensch pro Quadratmeter nirgends höher in Nordamerika. Und die kulturelle Vielfalt ist nirgends größer. Über ein Drittel der New Yorker sind im Ausland geboren. Heute kommen sie hauptsächlich aus karibischen Ländern, Lateinamerika, Russland und China.
Wer durch New York fährt, vom Financial District durch Chinatown und Little Italy, die Lower East Side Richtung Midtown, oder auch in Brooklyn oder Harlem unterwegs ist, kann sie bestaunen die sämtlichen Hautfarben und Gesichtzüge dieser Welt.
Die meisten Europäer kamen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Die größte ethnische Gruppe in New York sind bis heute noch Europäer - über drei Millionen haben Vorfahren aus Italien.
Aber auch die deutschen Einwanderer hinterließen eine beachtliche Zahl an Nachkommen: 3,4 Prozent der Bewohner der Acht-Millionen-Stadt haben nach eigenen Angaben deutsche Wurzeln. Die große Steuben Parade, immer auch ein Medienereignis, erinnert seit 54 Jahren jeden September aufs Neue an das deutsche Erbe in New York.
In mehreren großen Wellen kamen hier im 19. Jahrhundert Deutsche an. 1860 lebten über 100.000 Immigranten aus Deutschland auf New Yorker Stadtgebiet, besaßen dabei rund 20 Kirchen, zehn Buchläden und zwei deutschsprachige Tageszeitungen.
30 Jahre später waren es dann schon 211.000 Deutsche. Und im Jahr 1910 sagte man, New York City sei die größte deutsche Stadt nach Berlin und Hamburg; etwa 600.000 Deutsche lebten nun hier. Die meisten von ihnen hatten eine beschwerliche Reise über den Atlantik hinter sich gebracht und hoffen auf ein besseres Leben in Amerika.
Was muss das für ein Moment gewesen sein, die ersten hoffnungsschwangeren Stunden in der neuen Welt. Angst, Freude, Schock, Erschöpfung - was herrschte vor? Die spezifische Situation der Einwanderer lässt sich besonders gut an einem Ort in New York nachvollziehen: Ellis Island, einer kleinen Insel vor der Südspitze Manhattans.
Die Fähre legt vom Battery Park ab, und schon der Blick auf die Stadt vom Wasser aus eröffnet eine andere Perspektive: die Stadt dort drüben wirkt beides, undurchdringlich und verheißungsvoll. Das wird damals nicht anders gewesen sein.
Erster Stopp der Fähre: Die Freiheitsstatue, genauer die "Statue of Liberty Enlightening the World". Ein Geschenk der Franzosen an Amerika zum 100. Geburtstag der Unabhängigkeitserklärung. Es sollte ein universales Symbol für Freiheit und Demokratie sein. Das ist sie geworden. Seit 1886 steht sie dort und repräsentiert den amerikanischen Traum wie wohl keine andere Statue.
Nächster Fähr-Stopp: Ellis Island. Dies war über viele Jahrzehnte der erste Kontakt für Ankommende mit amerikanischem Boden. Es war die Aufnahmestation, hier entschied sich, wer von den durch wochenlanges Reisen ausgemergelten Menschen rein durfte oder wer zurück musste. Wer krank wirkte oder psychisch labil lief Gefahr, auf das nächste Schiff zurück in die alte Welt gesetzt zuwerden.
Durch Ellis Island sind zwischen 1892 und 1954 rund 12 Millionen Menschen in die USA eingewandert. Die Nachkommen dieser 12 Millionen machen heute fast die Hälfte der U.S. Bevölkerung aus, so schätzt man.
Eindrücklich lässt sich dies alles in der ständigen Ausstellung im Museum auf Ellis Island nachvollziehen, untergebracht in dem alten, originalen Gebäude. Wer New York, wer Amerika richtig begreifen möchte, muss Ellis Island besucht haben.
Einmal im Land zu sein, bedeutete natürlich nicht, von nun an ein einfaches Leben zu führen. Viele wussten erst einmal nicht, wohin. Und blieben so nur wenige Kilometer entfernt von dort, wo sie an Land gespült worden waren: an der Lower East Side.
Das ist deshalb auch die nächste Station auf einer Spurensuche nach Auswanderer-Geschichte. 108 Orchard Street ist die Adresse des Tenement Museum. Vom Museumshop hier gehen geführte Touren los und zwar ein paar Häuser weiter zu 97 Orchard Street. Das war einst ein typisches Mietshaus, in dem zahlreiche Einwandererfamilien eine Weile in sehr beengten Verhältnissen lebten. Das Haus beherbergte seit 1863 über die Zeit 7.000 Immigranten.
Sechs Wohnungen sind wie damals hergerichtet, und zwar wahrheitsgetreu nach realen Beispielen. Man hat die Schicksale von sechs Einwanderer-Familien rekonstruiert - und diese Geschichten werden bei den Führungen erzählt. Die Geschichte der deutsch-jüdischen Familie Gumpertz unter anderem, die im Jahr 1878 hier wohnte; oder die der irischen Moores aus dem Jahr 1869.
Dieses eindrückliche Museum macht begreiflich, wie das Leben in der Neuen Welt für viele begann: ärmlich, beengt, vom Fremden umgeben. Aber man richtete sich auch bestmöglich ein, und dann ging es oft auch weiter, in ein nicht selten üppigeres Leben.
Nur ein paar Straßen weiter läuft man heute ins ultra-schicke Soho mit Boutiquen und teuren Läden. Lange vergessen die Tage der drängenden Enge.
Auch das Viertel rund um den Tompkins Square im East Village (das hier wegen der Avenues A, B und C auch Alphabet City genannt wird) ist heute in den Händen der jungen, urbanen Mittelschicht. Bioläden, hübsch zurecht gemachte Brownstone-Häuser, Geschäfte und Multikulti-Flair prägen das Straßenbild.
Genau hier lag ab Mitte des 19. Jahrhunderts das Zentrum von "Little Germany", der damals ersten nicht-englischsprachigen Enklave in den USA. Viele Deutsche ließen sich nach Ankunft erst mal hier nieder. Was oft als Übergangslösung gedacht war, wurde nicht selten zum Dauerzustand. Richtig deutsches Leben entfaltete sich hier, mit Kirchen, Kneipen, Veranstaltungen. Über viele Jahrzehnte blieb Little Germany lebendig, gespeist von immer neuem Zuzug.
Zu der Community in "Kleindeutschland" gehörten auch bedeutende Persönlichkeiten wie Carl Schurz, der als erster Deutsch-Amerikaner in den U.S. Senat gewählt worden war. Oder Anna Ossendorfer, die die deutschsprachige "New Yorker Staatszeitung" besaß und sie zeitweise zu der wichtigsten Tageszeitung in New York machte - mit gleicher Auflage wie damals die New York Times. Als Anna Ossendorfer starb, kamen so viele Menschen zu ihrer Beerdigung, dass es das größte Begräbnis wurde, das es je für eine Frau gegeben hatte.
Die, die es zu etwas brachten, zogen dann allerdings zunehmend nach Norden in an die Upper East Side. Auf dem Tompkins Square hörte man immer mehr auch andere Sprachen. Im Juni 1904 läuteten dann endgültig die Todesglocken für Little Germany, und zwar nach dem Untergang des Ausflugsschiffes General Slocum. Eine deutsche lutheranische Kirchengemeinde aus dem Viertel hatte das Schiff gechartert und war mit Gemeindemitgliedern auf dem Weg zu einem Sommerpicknick auf Long Island.
Noch auf dem East River auf Höhe der Upper East Side fing das Schiff Feuer und brannte ab. Über eintausend kamen um, darunter viele Frauen und Kinder. Nur 300 überlebten die Katastrophe. Wie Mehltau legte sich das Gedenken an das Ereignis auf das Leben rund um den Tompkins Square. Nur wenige Jahre später waren die letzten Deutschen hier weggezogen. Heute erinnert nichts mehr an Ära von Little Germany.
Mehr und mehr wurde in den dann folgenden Jahren die Upper East Side zum Viertel der Deutschen. Yorkville heißt dieser Teil im Nordenosten Manhattans, zwischen 72nd und 96th Streets, zwischen East River und Third Avenue.
Heute lebt hier die Mittelschicht, es ist eine klassische Wohngegend - mit einigen noch wahrnehmbaren Spuren der deutschen Geschichte. Seit 1937 versorgt der Familienbetrieb "Schaller & Weber" an der 86. Straße und 2. Avenue die Bewohner von Yorkville (und heute auch ganz Amerika per Online-Shop) mit selbstproduzierten Wurstwaren oder Spätzle, mit Landjaeger oder Chicken Bratwurst.
Oder "Glaser's Bakery", die die deutschen Einwanderer Justine und John Glaser 1902 gründeten. Im Laden an der Ecke 87. Straße und First Avenue gab es lange deutsches Brot und Gebäck. Jetzt betreiben die Enkelsöhne die Bäckerei - allerdings mit einem amerikanisierten Angebot.
Die nahe 86. Straße galt früher als "German Broadway". Im Gloria Palast gab es ein deutsches Kino, die Restaurants hießen Lorelei und das Café Mozart.
Die alte deutsche Tradition in New York bricht abrupt Ende der 30er Jahre ab. Schon nach dem Ersten Weltkrieg galt alles Deutsche nicht mehr als sonderlich schick.
Dann kam Hitler an die Macht. Ein wenig bekommt auch die Upper East Side das Nazi-Unwesen zu spüren. Der deutsche Fritz Kuhn betreibt hier seine Nazi-Organisation "German-American Bund": Er und seine Anhänger lieferten sich regelrechte Straßenschlachten mit Nazi-Gegnern.
Zeitgleich mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges verschwindet auch immer mehr das Deutsche aus dem Straßenbild New Yorks. Übrig bleiben einige wenige Spuren. Sie sind zu einem Teil im großen, komplexen kulturellen Mosaik geworden, das New York heute ausmacht.
AMERICA TIPPS
Einwanderer in New York
ANREISE
Mit allen großen europäischen und amerikanischen Airlines von Deutschland aus. Oder z.B. auch Singapore Airlines, täglich von Frankfurt direkt nach JFK. Das Bordkarten-Plus-Programm bietet diverse Vergünstigungen bei Touren, Shows, Shopping und Transport innerhalb eines 7-tägigen Aufenthalts in New York (Infos unter www.singaporeair.de, Angebote)
ATTRAKTIONEN
Ellis Island Immigration Museum, www.ellisisland.org oder www.nps.gov/elis. Unter www.statuecruises.com kann man Fährtickets kaufen: Kombi-Tickets möglich, z.B. mit "Crown Access" (Aufstieg zur Krone der Lady Liberty und Museum) für 16 Dollar bzw. 24 Dollar inkl. Audio-Tour. Alle Fähren stoppen auch an Ellis Island, der Eintritt zum Museum auf der Insel ist frei.
Mit so genannten "Reserve"-Tickets kann man zu einer bestimmten Zeit auf die Fähre und umgeht lange Warteschlangen. Start ist am Battery Park. Im Sommerhalbjahr, vor allem aber zwischen Juni und September, muss man mit längeren Wartezeiten rechnen.
Steuben Parade: www.germanparadenyc.org
Tenement Museum, Touren starten im Museumsshop, 108 Orchard, täglich mehrere Tenement-Touren sowie Walking Tours in der Nachbarschaft. Tickets vorbuchbar im Internet: www.tenement.org.
Upper East Side:
Schaller & Weber, 1654 Second Avenue (at 86th Street) www.schallerweber.com
Glaser's Bakery, 1670 First Avenue (At 87th Street), www.glasersbakeshop.com
Heidelberg Restaurant, 1648 Second Avenue (between 85 & 86), Tel. 1 (212) 628-2332, www.heidelbergrestaurant.com
Es ist dieses vibrierende Gefühl, eine Intensität, die die Straßen Manhattans so unvergleichlich macht. Das Licht fällt quer durch die Straßenschluchten, der Geruch wird in einer Minute von der Kanalisation, in der nächsten vom Atlantik bestimmt. Autos, Menschen, neuerdings auch Fahrräder versuchen, ihren Platz zu behaupten. Die Stadt strebt, voran und nach oben, städtebaulich und lebensgefühlmäßig.
Und sie hat das immer getan, über die Jahrhunderte ihrer Existenz. Von Anfang an war New York ein Ziel der Träume, Projektionsfläche der Zukunftswünsche von Menschen aus allen Winkeln der Welt.
Und viele schafften es, sie kamen nach New York. Heute ist die Dichte an Mensch pro Quadratmeter nirgends höher in Nordamerika. Und die kulturelle Vielfalt ist nirgends größer. Über ein Drittel der New Yorker sind im Ausland geboren. Heute kommen sie hauptsächlich aus karibischen Ländern, Lateinamerika, Russland und China.
Wer durch New York fährt, vom Financial District durch Chinatown und Little Italy, die Lower East Side Richtung Midtown, oder auch in Brooklyn oder Harlem unterwegs ist, kann sie bestaunen die sämtlichen Hautfarben und Gesichtzüge dieser Welt.
Die meisten Europäer kamen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Die größte ethnische Gruppe in New York sind bis heute noch Europäer - über drei Millionen haben Vorfahren aus Italien.
© Library%20of%20Congress
Historischer Sehnsuchtsort.
Deutsche in New York
Aber auch die deutschen Einwanderer hinterließen eine beachtliche Zahl an Nachkommen: 3,4 Prozent der Bewohner der Acht-Millionen-Stadt haben nach eigenen Angaben deutsche Wurzeln. Die große Steuben Parade, immer auch ein Medienereignis, erinnert seit 54 Jahren jeden September aufs Neue an das deutsche Erbe in New York.
In mehreren großen Wellen kamen hier im 19. Jahrhundert Deutsche an. 1860 lebten über 100.000 Immigranten aus Deutschland auf New Yorker Stadtgebiet, besaßen dabei rund 20 Kirchen, zehn Buchläden und zwei deutschsprachige Tageszeitungen.
30 Jahre später waren es dann schon 211.000 Deutsche. Und im Jahr 1910 sagte man, New York City sei die größte deutsche Stadt nach Berlin und Hamburg; etwa 600.000 Deutsche lebten nun hier. Die meisten von ihnen hatten eine beschwerliche Reise über den Atlantik hinter sich gebracht und hoffen auf ein besseres Leben in Amerika.
Ellis Island
Was muss das für ein Moment gewesen sein, die ersten hoffnungsschwangeren Stunden in der neuen Welt. Angst, Freude, Schock, Erschöpfung - was herrschte vor? Die spezifische Situation der Einwanderer lässt sich besonders gut an einem Ort in New York nachvollziehen: Ellis Island, einer kleinen Insel vor der Südspitze Manhattans.
Die Fähre legt vom Battery Park ab, und schon der Blick auf die Stadt vom Wasser aus eröffnet eine andere Perspektive: die Stadt dort drüben wirkt beides, undurchdringlich und verheißungsvoll. Das wird damals nicht anders gewesen sein.
Erster Stopp der Fähre: Die Freiheitsstatue, genauer die "Statue of Liberty Enlightening the World". Ein Geschenk der Franzosen an Amerika zum 100. Geburtstag der Unabhängigkeitserklärung. Es sollte ein universales Symbol für Freiheit und Demokratie sein. Das ist sie geworden. Seit 1886 steht sie dort und repräsentiert den amerikanischen Traum wie wohl keine andere Statue.
Nächster Fähr-Stopp: Ellis Island. Dies war über viele Jahrzehnte der erste Kontakt für Ankommende mit amerikanischem Boden. Es war die Aufnahmestation, hier entschied sich, wer von den durch wochenlanges Reisen ausgemergelten Menschen rein durfte oder wer zurück musste. Wer krank wirkte oder psychisch labil lief Gefahr, auf das nächste Schiff zurück in die alte Welt gesetzt zuwerden.
Durch Ellis Island sind zwischen 1892 und 1954 rund 12 Millionen Menschen in die USA eingewandert. Die Nachkommen dieser 12 Millionen machen heute fast die Hälfte der U.S. Bevölkerung aus, so schätzt man.
Eindrücklich lässt sich dies alles in der ständigen Ausstellung im Museum auf Ellis Island nachvollziehen, untergebracht in dem alten, originalen Gebäude. Wer New York, wer Amerika richtig begreifen möchte, muss Ellis Island besucht haben.
Lower East Side
Einmal im Land zu sein, bedeutete natürlich nicht, von nun an ein einfaches Leben zu führen. Viele wussten erst einmal nicht, wohin. Und blieben so nur wenige Kilometer entfernt von dort, wo sie an Land gespült worden waren: an der Lower East Side.
Das ist deshalb auch die nächste Station auf einer Spurensuche nach Auswanderer-Geschichte. 108 Orchard Street ist die Adresse des Tenement Museum. Vom Museumshop hier gehen geführte Touren los und zwar ein paar Häuser weiter zu 97 Orchard Street. Das war einst ein typisches Mietshaus, in dem zahlreiche Einwandererfamilien eine Weile in sehr beengten Verhältnissen lebten. Das Haus beherbergte seit 1863 über die Zeit 7.000 Immigranten.
Sechs Wohnungen sind wie damals hergerichtet, und zwar wahrheitsgetreu nach realen Beispielen. Man hat die Schicksale von sechs Einwanderer-Familien rekonstruiert - und diese Geschichten werden bei den Führungen erzählt. Die Geschichte der deutsch-jüdischen Familie Gumpertz unter anderem, die im Jahr 1878 hier wohnte; oder die der irischen Moores aus dem Jahr 1869.
Dieses eindrückliche Museum macht begreiflich, wie das Leben in der Neuen Welt für viele begann: ärmlich, beengt, vom Fremden umgeben. Aber man richtete sich auch bestmöglich ein, und dann ging es oft auch weiter, in ein nicht selten üppigeres Leben.
Nur ein paar Straßen weiter läuft man heute ins ultra-schicke Soho mit Boutiquen und teuren Läden. Lange vergessen die Tage der drängenden Enge.
East Village
Auch das Viertel rund um den Tompkins Square im East Village (das hier wegen der Avenues A, B und C auch Alphabet City genannt wird) ist heute in den Händen der jungen, urbanen Mittelschicht. Bioläden, hübsch zurecht gemachte Brownstone-Häuser, Geschäfte und Multikulti-Flair prägen das Straßenbild.
Genau hier lag ab Mitte des 19. Jahrhunderts das Zentrum von "Little Germany", der damals ersten nicht-englischsprachigen Enklave in den USA. Viele Deutsche ließen sich nach Ankunft erst mal hier nieder. Was oft als Übergangslösung gedacht war, wurde nicht selten zum Dauerzustand. Richtig deutsches Leben entfaltete sich hier, mit Kirchen, Kneipen, Veranstaltungen. Über viele Jahrzehnte blieb Little Germany lebendig, gespeist von immer neuem Zuzug.
Zu der Community in "Kleindeutschland" gehörten auch bedeutende Persönlichkeiten wie Carl Schurz, der als erster Deutsch-Amerikaner in den U.S. Senat gewählt worden war. Oder Anna Ossendorfer, die die deutschsprachige "New Yorker Staatszeitung" besaß und sie zeitweise zu der wichtigsten Tageszeitung in New York machte - mit gleicher Auflage wie damals die New York Times. Als Anna Ossendorfer starb, kamen so viele Menschen zu ihrer Beerdigung, dass es das größte Begräbnis wurde, das es je für eine Frau gegeben hatte.
Die, die es zu etwas brachten, zogen dann allerdings zunehmend nach Norden in an die Upper East Side. Auf dem Tompkins Square hörte man immer mehr auch andere Sprachen. Im Juni 1904 läuteten dann endgültig die Todesglocken für Little Germany, und zwar nach dem Untergang des Ausflugsschiffes General Slocum. Eine deutsche lutheranische Kirchengemeinde aus dem Viertel hatte das Schiff gechartert und war mit Gemeindemitgliedern auf dem Weg zu einem Sommerpicknick auf Long Island.
Noch auf dem East River auf Höhe der Upper East Side fing das Schiff Feuer und brannte ab. Über eintausend kamen um, darunter viele Frauen und Kinder. Nur 300 überlebten die Katastrophe. Wie Mehltau legte sich das Gedenken an das Ereignis auf das Leben rund um den Tompkins Square. Nur wenige Jahre später waren die letzten Deutschen hier weggezogen. Heute erinnert nichts mehr an Ära von Little Germany.
Upper East Side
Mehr und mehr wurde in den dann folgenden Jahren die Upper East Side zum Viertel der Deutschen. Yorkville heißt dieser Teil im Nordenosten Manhattans, zwischen 72nd und 96th Streets, zwischen East River und Third Avenue.
Heute lebt hier die Mittelschicht, es ist eine klassische Wohngegend - mit einigen noch wahrnehmbaren Spuren der deutschen Geschichte. Seit 1937 versorgt der Familienbetrieb "Schaller & Weber" an der 86. Straße und 2. Avenue die Bewohner von Yorkville (und heute auch ganz Amerika per Online-Shop) mit selbstproduzierten Wurstwaren oder Spätzle, mit Landjaeger oder Chicken Bratwurst.
Oder "Glaser's Bakery", die die deutschen Einwanderer Justine und John Glaser 1902 gründeten. Im Laden an der Ecke 87. Straße und First Avenue gab es lange deutsches Brot und Gebäck. Jetzt betreiben die Enkelsöhne die Bäckerei - allerdings mit einem amerikanisierten Angebot.
Die nahe 86. Straße galt früher als "German Broadway". Im Gloria Palast gab es ein deutsches Kino, die Restaurants hießen Lorelei und das Café Mozart.
Die alte deutsche Tradition in New York bricht abrupt Ende der 30er Jahre ab. Schon nach dem Ersten Weltkrieg galt alles Deutsche nicht mehr als sonderlich schick.
Dann kam Hitler an die Macht. Ein wenig bekommt auch die Upper East Side das Nazi-Unwesen zu spüren. Der deutsche Fritz Kuhn betreibt hier seine Nazi-Organisation "German-American Bund": Er und seine Anhänger lieferten sich regelrechte Straßenschlachten mit Nazi-Gegnern.
Zeitgleich mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges verschwindet auch immer mehr das Deutsche aus dem Straßenbild New Yorks. Übrig bleiben einige wenige Spuren. Sie sind zu einem Teil im großen, komplexen kulturellen Mosaik geworden, das New York heute ausmacht.
AMERICA TIPPS
Einwanderer in New York
ANREISE
Mit allen großen europäischen und amerikanischen Airlines von Deutschland aus. Oder z.B. auch Singapore Airlines, täglich von Frankfurt direkt nach JFK. Das Bordkarten-Plus-Programm bietet diverse Vergünstigungen bei Touren, Shows, Shopping und Transport innerhalb eines 7-tägigen Aufenthalts in New York (Infos unter www.singaporeair.de, Angebote)
ATTRAKTIONEN
Ellis Island Immigration Museum, www.ellisisland.org oder www.nps.gov/elis. Unter www.statuecruises.com kann man Fährtickets kaufen: Kombi-Tickets möglich, z.B. mit "Crown Access" (Aufstieg zur Krone der Lady Liberty und Museum) für 16 Dollar bzw. 24 Dollar inkl. Audio-Tour. Alle Fähren stoppen auch an Ellis Island, der Eintritt zum Museum auf der Insel ist frei.
Mit so genannten "Reserve"-Tickets kann man zu einer bestimmten Zeit auf die Fähre und umgeht lange Warteschlangen. Start ist am Battery Park. Im Sommerhalbjahr, vor allem aber zwischen Juni und September, muss man mit längeren Wartezeiten rechnen.
Steuben Parade: www.germanparadenyc.org
Tenement Museum, Touren starten im Museumsshop, 108 Orchard, täglich mehrere Tenement-Touren sowie Walking Tours in der Nachbarschaft. Tickets vorbuchbar im Internet: www.tenement.org.
Upper East Side:
Schaller & Weber, 1654 Second Avenue (at 86th Street) www.schallerweber.com
Glaser's Bakery, 1670 First Avenue (At 87th Street), www.glasersbakeshop.com
Heidelberg Restaurant, 1648 Second Avenue (between 85 & 86), Tel. 1 (212) 628-2332, www.heidelbergrestaurant.com
© Text: AMERICA/Julia A. Latka
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