© West%20Virginia%20Tourism
Wildnis mit nordischem Touch
Die totale Stille und die Einsamkeit der wunderbar urtümlichen Berglandschaft der Cranberry Wilderness in West Virginia können irritieren. Dabei liegt das Wandergebiet nur wenige Stunden von den Metropolen der Ostküste entfernt.
Beinahe kommt es mir vor, als sei eine Glasglocke über mich gestülpt. Irreal wirkt der Moment. So still, gedämpft ist die Welt um mich auf einmal. Tief Luft holen, der Sauerstoff belebt vielleicht den Anpassungsmechanismus und hilft mir anzukommen, hier oben in den Bergen von West Virginia auf dem Plateau der Allegheny Mountains.
Früh morgens bin ich losgefahren in der Hauptstadt, die bereits aufgeregt ihr Tagwerk begonnen hatte. Auf dem Beltway, dem Autobahngürtel um D.C., rollten schon die Politiker, Journalisten, Lobbyisten und all die unzähligen Büroarbeiter. Hupen, Sirenengeheule, aus dem Radio schepperte die Werbung eines Autohändlers. Jetzt, einige Stunden später, kommt mir der ganz normale Großstadtmorgen weit weg und wahnsinnig vor.
Die innere Spannung ist auch noch nicht gewichen, als die letzen Häuser der Stadtausläufer im Rückspiegel lagen und vorne der Blick die Berge von West Virginia traf. Erst der Highland Scenic Highway hat etwas Abstand geschaffen. Die Straße kurvt über die Berge und es wirkt, als sei die Luft schon dünner, als führe der Highway gen Himmel.
Das Schild "Trailhead" stoppt die Fahrt. Ein Parkplatz, hier geht der Wanderweg los in die Cranberry Wilderness im Wald mit einem Namen wie im Märchen: Monongahela National Forest. Märchenhaft und irgendwie magisch, so beschrieb man mir diese Berge. Vorstellen konnte ich mir das nie so recht. Ein Mittelgebirge, was soll daran besonders sein.
Jetzt stehe ich nach den ersten drei Stunden strammen Schrittes - die Großstadt bestimmt noch das Tempo - auf einem Bergrücken, nichts behindert den Blick. Leicht weht ein Wind, nimmt alle Geräusche auf und trägt sie weg. Aber es dauert noch eine weitere Stunde, bis die Ruhe der Umgebung ihren Weg zu mir gebahnt hat.
Durch ein Tal geht es an einem Fluss entlang, dann einen schmalen steilen Pfad wieder den Berg hinauf, bis der lichte Laubwald sich immer mehr mit roten Kiefern abwechselt. Mal unter Bäumen geborgen, mal erhaben exponiert mit weiter Sicht geht die Strecke voran. Ich beginne zu begreifen, was hier so manchen Wanderer magisch berührt: Kein Mensch ist unterwegs. Die wahre Einsamkeit, ein ungeheurer Luxus für jeden, der die Wälder und Berge in Europa erwandert hat.
Und es ist auch keine europäische Mittelgebirgslandschaft. Das Naturkleid ist insgesamt zwei Nummern größer, das Unterholz dichter, die Berge ein bisschen breiter, die Täler weiter. Die Flüsse sprudeln ungezähmt und klar.
Ihren Namen hat die Cranberry Wilderness von den Torfmooren, die es hier gibt. Es sind eigentlich nordische Biosysteme, nirgends findet man sie südlicher gelegen als hier. Dichte, wilde Rhododendronsträuche wuchern um die Flussläufe. An manchen Stellen stehen Apfelbäume. Das ist meist dort, wo noch Reste von Waldarbeiter-Siedlungen erkennbar sind.
Denn diese Wildnis ist recht jung. Die Holzindustrie kam als erstes in diese unzugängliche Region. In den 20er Jahren fielen hier die Bäume. Wenn einer stehen blieb, wurde er bald Opfer einer der Waldbrände. Das Holzgeschäft hinterließ, nachdem alles gerodet war, eine wüste, kahlgeschorene Berglandschaft. Der Staat kaufte das Land und nahm sich seiner an. Vielleicht ist das das Geheimnis dieser Landschaft? Die Natur hat sie zurückerobert. Hier kann man den Rest der Welt hinter sich lassen.
AMERICA Guide
Wandern in West Virginia
Über 60 Meilen Wanderwege gibt es in der Cranberry Wilderness. Sie sind meist primitiv, oft nur Trampelpfade. Die Beschilderung ist minimal, nur kleine Zeichen an Gabelungen. Es gibt keine Brücken, Flüsse überquert man an Furten (die manchmal im Frühjahr wegen hohen Wasserstands unpassierbar sind). Die Wanderwege lassen sich gut kombinieren, sehr gut auch mit der angrenzenden Cranberry Backcountry. Man kann tagelang unterwegs sein.
Rundwanderungen (Loops) sind zum Beispiel: Start am Trailhead "Three Forks", dann Middle Fork - Big Beechy - District Line - Country Line (23 Meilen lang). Oder: Start am "North Fork Trailhead", dann North Fork - Big Beechy - Middle Fork - North Fork, zirka 16 Meilen lang.
Entlang des William River ist an vielen Stellen freies Campen erlaubt. Das ist allerdings sehr rustikal: es gibt keine Toiletten oder Waschgelegenheiten. In der Cranberry Backcountry gibt es zahlreiche Zeltplätze, so genannte Shelter. Die drei Campingplätze der Region haben von Mitte März bis Anfang Dezember offen. Empfehlung: In der Wilderness sollte man einen Kompass dabei haben.
Wanderkarten und alle nötigen Infos gibt es im Cranberry Mountain Nature Center, Ecke Route 150 und 39/55, Tel. 1 (304) 653 4826, www.fs.fed.us, offen tägl. Mai bis Okt 9.00-16.30 Uhr; April bis Nov. Do bis So. 9.00 - 16.30 Uhr. Dez bis Ende März geschlossen.
Beinahe kommt es mir vor, als sei eine Glasglocke über mich gestülpt. Irreal wirkt der Moment. So still, gedämpft ist die Welt um mich auf einmal. Tief Luft holen, der Sauerstoff belebt vielleicht den Anpassungsmechanismus und hilft mir anzukommen, hier oben in den Bergen von West Virginia auf dem Plateau der Allegheny Mountains.
Früh morgens bin ich losgefahren in der Hauptstadt, die bereits aufgeregt ihr Tagwerk begonnen hatte. Auf dem Beltway, dem Autobahngürtel um D.C., rollten schon die Politiker, Journalisten, Lobbyisten und all die unzähligen Büroarbeiter. Hupen, Sirenengeheule, aus dem Radio schepperte die Werbung eines Autohändlers. Jetzt, einige Stunden später, kommt mir der ganz normale Großstadtmorgen weit weg und wahnsinnig vor.
Die innere Spannung ist auch noch nicht gewichen, als die letzen Häuser der Stadtausläufer im Rückspiegel lagen und vorne der Blick die Berge von West Virginia traf. Erst der Highland Scenic Highway hat etwas Abstand geschaffen. Die Straße kurvt über die Berge und es wirkt, als sei die Luft schon dünner, als führe der Highway gen Himmel.
Magische Bergwelt
© West%20Virginia%20Tourism
Endlose Wälder in West Virginia
Jetzt stehe ich nach den ersten drei Stunden strammen Schrittes - die Großstadt bestimmt noch das Tempo - auf einem Bergrücken, nichts behindert den Blick. Leicht weht ein Wind, nimmt alle Geräusche auf und trägt sie weg. Aber es dauert noch eine weitere Stunde, bis die Ruhe der Umgebung ihren Weg zu mir gebahnt hat.
Durch ein Tal geht es an einem Fluss entlang, dann einen schmalen steilen Pfad wieder den Berg hinauf, bis der lichte Laubwald sich immer mehr mit roten Kiefern abwechselt. Mal unter Bäumen geborgen, mal erhaben exponiert mit weiter Sicht geht die Strecke voran. Ich beginne zu begreifen, was hier so manchen Wanderer magisch berührt: Kein Mensch ist unterwegs. Die wahre Einsamkeit, ein ungeheurer Luxus für jeden, der die Wälder und Berge in Europa erwandert hat.
Rhododendron im Moor
Und es ist auch keine europäische Mittelgebirgslandschaft. Das Naturkleid ist insgesamt zwei Nummern größer, das Unterholz dichter, die Berge ein bisschen breiter, die Täler weiter. Die Flüsse sprudeln ungezähmt und klar.
Ihren Namen hat die Cranberry Wilderness von den Torfmooren, die es hier gibt. Es sind eigentlich nordische Biosysteme, nirgends findet man sie südlicher gelegen als hier. Dichte, wilde Rhododendronsträuche wuchern um die Flussläufe. An manchen Stellen stehen Apfelbäume. Das ist meist dort, wo noch Reste von Waldarbeiter-Siedlungen erkennbar sind.
Denn diese Wildnis ist recht jung. Die Holzindustrie kam als erstes in diese unzugängliche Region. In den 20er Jahren fielen hier die Bäume. Wenn einer stehen blieb, wurde er bald Opfer einer der Waldbrände. Das Holzgeschäft hinterließ, nachdem alles gerodet war, eine wüste, kahlgeschorene Berglandschaft. Der Staat kaufte das Land und nahm sich seiner an. Vielleicht ist das das Geheimnis dieser Landschaft? Die Natur hat sie zurückerobert. Hier kann man den Rest der Welt hinter sich lassen.
AMERICA Guide
Wandern in West Virginia
Über 60 Meilen Wanderwege gibt es in der Cranberry Wilderness. Sie sind meist primitiv, oft nur Trampelpfade. Die Beschilderung ist minimal, nur kleine Zeichen an Gabelungen. Es gibt keine Brücken, Flüsse überquert man an Furten (die manchmal im Frühjahr wegen hohen Wasserstands unpassierbar sind). Die Wanderwege lassen sich gut kombinieren, sehr gut auch mit der angrenzenden Cranberry Backcountry. Man kann tagelang unterwegs sein.
Rundwanderungen (Loops) sind zum Beispiel: Start am Trailhead "Three Forks", dann Middle Fork - Big Beechy - District Line - Country Line (23 Meilen lang). Oder: Start am "North Fork Trailhead", dann North Fork - Big Beechy - Middle Fork - North Fork, zirka 16 Meilen lang.
Entlang des William River ist an vielen Stellen freies Campen erlaubt. Das ist allerdings sehr rustikal: es gibt keine Toiletten oder Waschgelegenheiten. In der Cranberry Backcountry gibt es zahlreiche Zeltplätze, so genannte Shelter. Die drei Campingplätze der Region haben von Mitte März bis Anfang Dezember offen. Empfehlung: In der Wilderness sollte man einen Kompass dabei haben.
Wanderkarten und alle nötigen Infos gibt es im Cranberry Mountain Nature Center, Ecke Route 150 und 39/55, Tel. 1 (304) 653 4826, www.fs.fed.us, offen tägl. Mai bis Okt 9.00-16.30 Uhr; April bis Nov. Do bis So. 9.00 - 16.30 Uhr. Dez bis Ende März geschlossen.
© Text: AMERICA/Julia A. Latka
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